Reisebericht von Susanne Ruitenberg
Eine Weinreise in die Niederlande?, so wurden wir ungläubig gefragt. Die Niederlande stehen eher für Käse, Bier und Süßigkeiten.
Aber es gab Wein in den Niederlanden, die Römer hatten ihn gebracht, bis zum 16. Jahrhundert. Dann kam der 80jährige Erbfolgekrieg und die kleine Eiszeit und die letzten verbliebenen Reben wurden nach dem zweiten Weltkrieg gerodet, um Kartoffeln anzubauen.
1970 begann die Weingeschichte der Neuzeit mit dem Weingut Apostelhoeve. Inzwischen gibt es ca. 200 Winzer, die ca. 300 Hektar bewirtschaften (etwas mehr als Hochheim). Viele davon sind Kleinstbetriebe im Nebenerwerb, aber es gibt auch größere, die sich langsam, aber sicher einen Namen gemacht haben. Auch gibt es inzwischen geschützte Herkunftsbezeichnungen, Beschermde Geografische Aanduiding (BGA) für die Landweine und Beschermde Oorsprongbenaming (BOB) (wie QBA).
Genau 10 Jahre nach der ersten Niederlande-Reise in einer anderen Konstellation plante Hendrik für uns einen viertägigen Ausflug in die unbekannte Weinwelt des kleinen Nachbarlandes.
1. Tag: Donnerstag, 28. August 2024
Überpünktlich fanden sich alle 17 Mitreisende am Weinprobierstand – wo sonst? – ein. Um 7 Uhr sollte die Fahrt losgehen. Außer Hendrik, Susanne und Wolfram (und die Wolters, die eine Minireise mit den Ruitenbergs gemacht hatten) waren die Teilnehmenden noch nicht viel mit Niederländischem Wein in Berührung gekommen – von den diversen Kostproben im Museum abgesehen.
Der Bus kam pünktlich zum Treffpunkt, ein wirklich kleiner 20er Bus (mit beunruhigend kleinem Gepäckraum). Heinz, unser Busfahrer, lud unsere Koffer und Hendriks diverse Kisten ein und los ging es.
Eines der Weingüter, das wir gerne besucht hätten, hatte eine Hochzeitsfeier. Aber auf den Wein wollten wir nicht verzichten und so erwarben wir ihn für die traditionelle „Weck Worscht und Woi“ Pause, die gegen 9 Uhr an einer Raststätte begangen wurde, mit Mainzer Fleischwurst, Hochemer Brötchen und 3 Weinen von Betuws Wijndomein: Aus der Weißweinlinie LingeWit das Cuvée, den Johanniter und den Sauvi. Lecker, wenn sie auch etwas kühler hätten sein können.
Gestärkt ging die Reise weiter und weil Hendrik mit ausreichend Sicherheitspuffern für Staus geplant hatte, diese aber (zum Glück) ausblieben, kamen wir viel zu früh bei unserem ersten Ziel an:
Das Weingut St. Martinus in Vijlen.
Spontan und flexibel, wie die Niederländer sind, ließen sie uns sofort herein und zur Tat schreiten. Der Mitarbeiter, der uns herumführen sollte, stellte sich als Michel vor und los ging es mit einer kurzen Einführung in die Geschichte des Weinguts.
Das Weingut, das nach der höchstgelegenen Kirche der Niederlande benannt ist, wurde in den 1980ern von Hans Beurskens gegründet. Sohn Stan, Ende 40 inzwischen, hat in Geisenheim und Stellenbosch seine Ausbildung absolviert und ist 10 Jahre in der Weinwelt unterwegs gewesen: Australien, Neuseeland, Argentinien, Chile …
Inzwischen ist es mit 32 ha das größte der Niederlande. Angebaut werden mehrheitlich PiWis und es sind, zusammen mit dem Versuchsanbau, ca. 170 Rebsorten. Verschiedene Weingüter der Umgebung wurden erst jahrelang begleitet und bei Betriebsaufgabe der Eigentümer übernommen. Stan ist viel als Berater für andere Weingüter unterwegs, 70 in den Niederlanden, über 100 weltweit.
Das Gebäude war bei unserer ersten Reise 2014 niegelnagelneu und für 10 ha ausgelegt. Inzwischen ist es längst zu klein, muss erweitert werden und ist viel bunter, als wir es in Erinnerung hatten. Weiße Wände sind auch unpraktisch auf die Dauer, vor allem, wenn man mit Rotwein hantiert.
Man legt Wert auf Nachhaltigkeit. Das neue Gebäude soll 80% autark sein, mit Energiegewinnung, ausschließlich LED-Beleuchtung und Wasser-Recycling.
Durch Frostschäden werden in diesem Jahr ca. 100.000 Flaschen fehlen und die Lese wird später, wohl im Oktober, erwartet. Gelesen wird von Hand, die Lesehelfer sind zwischen 17 und 83 Jahre alt und kommen aus 11 Ländern. Für Notfälle und schnelles Eingreifen gibt es eine Lesemaschine.
Produziert werden in der Regel um die 150.000 Flaschen im Jahr, Verkauf hauptsächlich ab Hof, auch einige Restaurants sind Abnehmer.
Es werden Charity-Projekte in Afrika sowie Krebshilfe-Projekte unterstützt.
Bei der Führung bekamen wir die Keller zu sehen:
1. Untergeschoss: Traubenverarbeitung, also Presse und Sortiertisch, momentan wird hier alles für die Lese vorbereitet.
2. Untergeschoss: Stahltanks, Tonneaux und Barriques aus der Bourgogne, nach der zweiten Belegung gehen sie an andere Weingüter oder in die Whiskyherstellung. Auch Craft Beer Brauereien nutzen sie gerne. Oder kreative Möbelhersteller.
Die Weine werden getrennt ausgebaut und die Cuvées danach assembliert, wie in Frankreich.
3. Untergeschoss: Hier ist das Labor von Philipp, der uns an einem Zitronenmelissenextrakt schnuppern ließ. Er erforscht Planzenextrakte, die bei der Weinherstellung nützlich sein könnten. Das Melissenextrakt soll die Sulfite im Wein ersetzen und die Oxidation verhindern. Auch im Kartoffelanbau kann man es einsetzen.
Anschließend ging es zur Weinprobe mit „Borrelhapjes“, das sind Kleinigkeiten, die man zu Bier oder Wein genießen kann. Bei St. Martinus legt man Wert darauf, dass alles aus lokaler Produktion kommt. Einige Produkte waren mit Martinusweinen affiniert.
Die meisten Weine werden als Cuvées angeboten, oft auch aus verschiedenen Jahrgängen.
Neuestes Experiment ist es, Sekte in der Oosterschelde zu versenken. Dort sind die Gezeiten nicht so ausgeprägt wie in der offenen See, aber die Temperatur gleichmäßig.
Die Farbe der Etiketten zeigen die Qualitätsstufe an: Es gibt die „Dorpswijne“ für den Einstieg, die nach Familienmitgliedern benannten Weine und die Top-Edition mit längerer Lagerung (5 Jahre) tragen schwarze Etiketten.
Die Probenfolge:
1. 2021 Johanniter Funkelwien, traditionelle Flaschengärung
2. 3 Deugden, ein Cuvée aus Grauburgunder, Souvignier Gris, und Chardonnay, Barriqueausbau.
3. Berddorpje Rosé aus Cabernet Cortis, Regent und Dornfelder
4. Rotwein 7 Zonden (Sünden), Cabernet Cortis und Cabernet Cantor, ausgebaut in französischem Holz
Nach dem üblichen Abschiedszeremoniell – Hendrik überreicht die Hochheimer Blumen, Riesling vom Weingut im Weinegg und Susanne rennt den Protagonisten mit dem Gästebuchblatt hinterher – ging es weiter nach Maastricht zum
Weingut Apoestelhoeve
Durch den Frühstart bei Martinus waren wir auch hier zu früh und hatten Zeit, ausgiebig zu fotografieren, bevor wir uns auf der herrlichen Terrasse niederließen. Julka Hulst war noch mit Gästen beschäftigt, aber Hendrik, fürsorglich wie er ist, organisierte uns einen herrlichen, kühlen Müller-Thurgau und so wartete es sich gut.
Bald gesellte sich Mathieu Hulst zu uns und die Vorstellung des Weinguts konnte beginnen.
1970 startete sein Vater mit dem Anbau der ersten Weinstöcke, die erste Ernte 1973 brachte 1400 Flaschen. Die Parzellen liegen auf dem Louwberg, auf dem vorher Äpfel und Birnen im Anbau waren. Der Boden ist Kiesel und Mergel mit einer Lösslage, also ideal für Weinbau. Eine Historikerin hat herausgefunden, dass zu Römerzeiten hier Wein angebaut wurde, um Maastricht herum waren es ca. 1.200 ha. Wein war das Volksgetränk Nr 1 viele Jahrhunderte lang, bis mit Napoleon die Alkoholsteuer kam.
Die Belgier waren es, die die Haltbarkeit des Biers verbessern lernten, und so löste Bier schließlich den Wein ab.
Angebaut werden die traditionellen Rebsorten Müller-Thurgau, Auxerrois, Riesling, Weißburgunder und Grauburgunder und ganz neu, etwas Viognier. Die Produktion liegt bei 160-180.000 Flaschen, ca. 55-80 hl/ha. Mit alkoholfreien Weinen hat man sich noch nicht beschäftigt, es gab noch keinen, der geschmeckt hätte. Er sagt, er lasse gerne den großen Kellereien den Vortritt, sie sollen erst einmal die Prozesse entwickeln, bevor er darüber nachdenkt.
Im letzten Jahr gab es eine solche Überproduktion europaweit, in hervorragender Qualität, dass jeder Winzer, jede Winzerin Tanks nachkaufen musste. Dementsprechend wurden diese immer knapper und teurer. In diesem Jahr wird die Ernte erheblich geringer ausfallen.
Durch den Klimawandel geschehen die Ernten immer früher. Vor ein paar Jahren hat Mathieu einen Vollernter erworben, der es leichter macht, auf Wetterkapriolen schnell zu reagieren und größere Mengen auf einmal hereinzuholen oder auch in kühlen Nächten zu lesen. Extremwetter kommt immer häufiger. Die Frostschäden in diesem Jahr liegen bei 15-20%.
Bei Apostelhoeve liegen meist 8-10 Tage zwischen den einzelnen Rebsorten bei der Lese. Außer 2018, da wurde alles gleichzeitig reif. Das war vor dem Vollernter und trug mit zur Entscheidung bei, ihn zu erwerben.
Nach der Gärung in gekühlten Stahltanks und einer Sedimentierung wird der Most abgezogen, die Neige mit den Trübstoffen geht noch einmal durch einen Hefefilter und bringt einen besonders extraktreichen Most hervor.
Ende Dezember kühlt man die Moste auf 2°C, um die Säure auszufällen, die vielen Weinanfänger hier verstehen die Kristalle im Glas nicht und halten sie für einen Fehler.
Dann erfolgen die Schritte: Analyse, Assemblage, Filtrierung, noch eine Analyse. Gefüllt wird mit einem Lohnfüller von der Mosel.
Ein Teil des Grauburgunders darf drei Jahre in Barriquefässer, teils auch schon für die Gärung, Erst- und Zweitbelegung, wöchentliche Batonnage; vor der Füllung wird er mit GB aus dem Stahltank abgerundet.
Der „Neue“ in der Familie, der Viognier, gärt zu 50% im Stahl und 50% im Barrique; inkl. Malolaktischer Gärung.
Die Probe umfasste (Anmerkung zu allen Proben: Die Verkostungsnotizen sind von Susanne und daher subjektiv :-)) ):
1. Müller Thurgau von 2023 (dies war unser „Wartewein“) – schöne Frische und florale Noten
2. Auxerrois, Noten von reifer Birne (sehr gelungen, könnte aus Frankreich oder Luxemburg stammen), passt gut zu Spargel, meinte Mathieu.
Wilfried rief sogleich: „Wo bleibt der Spargel?“ – großes Gelächter. Das Thema Spargel sollte uns noch häufiger beschäftigen (davon später mehr)
3. Cuvée XII, (40% Mü-Thu, 30% Aux., 30% GB) benannt nach den 12. Aposteln. Dieser trägt als einziger ein orangefarbenes Etikett mit hohem Wiedererkennungswert, während die sortenreinen einheitlich in Silber mit (schwer lesbarer) Bezeichnung der Rebsorte ausgestattet sind.
Dieser Wein ist der Renner in der Gastronomie und passt zu vielen Gerichten (ja, auch Spargel)
4. Grauburgunder
Sehr trocken, nur 4,5 g RZ. Auch sehr beliebt in der Gastronomie. Mathieu hat den GB früher etwas üppiger und halbtrockener ausgebaut. Seine Söhne wollten ihn trockener haben. Wir mussten an dieser Stelle den Söhnen beipflichten (besonders, wenn man die vorigen Jahrgänge kennt), das ist ein absoluter Top-Wein!
Nach Abschiedszeremoniell und Weinkauf, auch für die Rückschauprobe im kommenden Jahr (der Busfahrer begann an dieser Stelle bereits, etwas nervös zu werden angesichts der Kartons) ging die Fahrt weiter, aber nicht wirklich weit. Am Fuß des Louwberg, mit Blick zum Apostelhoeve, fanden die GenussSpechte sich für den folgenden Programmpunkt ein, dem
Weingut Hoeve Nekum
Der Hof besteht seit 1350. Das Gebäude, das wir betraten, ist von 1600. Der Name lautete ursprünglich Hoeff van Nyedekom. Seit 1934 ist die Familie Bollen Eigentümer. Ursprünglich gab es Milchvieh und Ackerbau, in 1988 begann man ganz klein mit Weinanbau. Die erste Ernte lieferte 1992 7000 Flaschen Wein. Momentan sind es 7 ha. plus etwas Ackerbau Seit 2009 gibt es nur noch Weinbau.
Angebaut werden Rivaner, Auxerrois, Riesling, Spätburgunder, Frühburgunder, Weißburgunder, Solaris, Voltis. Dieser ist seit 2018 zugelassen, seit 2022 auch in der Champagne. Es ist eine Sorte, die eher spät reift und nicht viel Zucker bringt, ideal also für Sektgrundwein.
Die Böden sind Löss, Kieselsteine, Mergel.
Auch hier erntet man immer früher, ab 2017 durchgehend nur noch vollreife Trauben.
Bei Pinot Noir hat man eher lockerbeerige Clone ausgewählt, die weniger fäulnisanfällig sind.
Solaris wird, wenn geeignet, als süße Spätlese ausgebaut, geht ansonsten ins Cuvée.
Auch hier ist ein eigener Vollernter im Einsatz. Aufgrund der Tatsache, dass Herr Bollen alles alleine macht, sind die Reben im Minimalschnitt gehalten.
Nach der Pressung auf der pneumatischen Presse gärt der Most ca. 3 Wochen bei 15-20°C, im Dezember ist der erste Abstich, dann hat er eine minimale Resthefe, im Februar wird filtriert, im März/April gefüllt.
Rotweine machen längere Maischegärung im Edelstahl mit regelmäßiger Batonnage. Anschließend werden Holzchipps (aus getoasteter französischer Eiche) für die Holznoten eingesetzt. Er meint, es sei nachhaltiger als immer wieder neue Fässer zu bauen, die dann nur 1 bis 2 Mal benutzt werden können.
Die Probe fand in einem ehemaligen Scheunengebäude mit beeindruckende alten Holzbalken in der Deckenkonstruktion statt.
Wir probierten:
1. Auxerrois
2. Riesling
3. Spätburgunder Rosé – leicht moussierend, etwas Kirsche und Himbeere, ca. eine halbe Stunde Maischestandzeit, ansprechendes Pink.
Rosé war mal völlig out, niemand wollte ihn haben, momentan ist es ein regelrechter Boom.
4. Pinot Noir von 2020
Ein hervorragender Wein mit Anklängen von Schattenmorelle, die Tannine schön eingebunden
5. Solaris Late Harvest, ein wuchtiger Wein mit nussigen Anklängen und Duft und Geschmack von reifen, gelben Früchten, erinnert im Abgang an japanischen Pflaumenwein.
Passt zu Schimmelkäse, Foie Gras und Ähnlichem. 40 g RZ bei 16 % (!!)
Anschließend gab es den Abschied mit Hochheimer Blumen und es wurde etwas Wein käuflich erworben.
Nach diesem ereignisreichen Tag ging es in unser erstes Nachtquartier, das NH Hotel Maastricht, etwas außerhalb der Innenstadt. Da wir alle zu müde waren, um zum Vrijthof zu fahren, blieben wir im hoteleigenen Restaurant bei diversen Tapas, Miesmuscheln, sowie einer interessanten Auswahl an Gerstenkaltschalen (IPA vom Fass!! Lagunitas!!) hängen.
2. Tag: Freitag, 30. August 2024
Am nächsten Morgen erwartete uns ein herrliches Frühstücksbuffet. Diejenigen, die extra früh aufgestanden waren – sehr disziplinierte Gruppe übrigens, auf der ganzen Fahrt – hatten am meisten davon, denn es ging schon um 8:00 Uhr los in Richtung Groesbeek, Gelderland, zum
Weingut De Colonjes
Adam Dijkstra hatte leider an diesem Tag keine Zeit für uns, aber wenigstens konnten wir ihn kurz begrüßen (und ihm eine Hochheimer Blume in die Hand drücken), bevor wir das Weinbauzentrum enterten. Hendrik hatte mit Amanda, Adams Frau, im Vorfeld besprochen, dass wir am Anfang mit Kaffee und dem typischen „Appelgebak“ – einem herrlichen Apfelkuchen – empfangen wurden. Dank der hervorragend organisierten Mitarbeiterinnen hatte bald jede und jeder von uns das gewünschte koffeinhaltige Getränk und Kuchen mit oder ohne Sahne zur Stärkung vor sich stehen und wir genossen eine gemütliche Kaffeepause bei Ausblick auf die Weinfelder.
Danach nahm uns Rob Jansen, Leiter der Vinothek in Empfang, und erzählte uns Wissenswertes über das Weingut:
2001 kamen zwei Brüder, Cees und Freek Verhoeven, frisch in Rente, auf die Idee: „Wir trinken doch so gerne Rotwein. Lass uns welchen anbauen.“ Gesagt – getan, sie begannen mit Regent, der bereits im dritten Jahr einen Preis gewann.
Da den beiden Brüdern klar war, dass sie nicht jünger werden würden, holten sie nach einigen Jahren den eingangs erwähnten Adam mit ins Boot. Der hatte in Deutschland Weinbau studiert und eigentlich die Absicht, nach Südafrika zu gehen. (Amanda ist sicher den Verhoeven-Brüdern dankbar, dass er das nicht getan hat …)
Inzwischen ist Colonjes 16 ha groß, das größte Bio-Weingut in den Niederlanden. 13 ha sind PiWis, 3 sind traditionelle Rebsorten (neu gepflanzt in 2023) Von Anfang an war das Weingut darauf ausgelegt, Menschen mit Einschränkungen, die teils auch Assistenten nötig haben ,eine Arbeitsmöglichkeit zu geben. So sind es ca. 90 Mitarbeitende, 15 Festangestellte.
Durch den Umzug in das Weinbauzentrum verfügt man nun über Labor, Schulungsräume, Vinothek und inzwischen schon wieder zu wenig Platz im Keller.
Freek Verhoeven ist im Oktober 2018 leider verstorben. Wer ihn, die Seele des Betriebs, gekannt hat, wie er immer mit Baskenkäppi unterwegs war und, begeistert von seinem Weingut, Leute mitreißen konnte, dem ist sofort am Eingang des Weinbauzentrums das kleine gehäkelte Ebenbild aufgefallen.
Bei einer Kellerführung erfuhren wir, dass es 2001 drei kleine Tanks à 300 l gab. Jetzt ist alles vorhanden, was man zum Arbeiten braucht, inklusive einer eigenen Etikettiermaschine. Die anderen, kleinen Groesbeeker Betriebe können hier auch ihre Analysen durchführen oder Weine in Barriques reifen lassen, auch Obstsäfte werden verarbeitet.
In den Schulungsräumen gibt es Weiterbildungen für Gastronomen, Sommeliers, Winzerinnen und Winzer.
Die Weinprobe (mit Borrelhapjes, klar) umfasste:
1. Collonjes Knapse Witte, sehr trocken, Aromatik von Naturwein, 15% Riesel und 85% Helios
2. Cuvée Wit: Helios, Sauvignac, Souvignier Gris, Muscaris – sehr ausgewogenes Aroma
3. Cabernet Colonjes und Regent, Rosé
Der Wein fällt durch sein fast schon extremes Pink auf. Im letzten Jahr waren alle Weine sehr farbenfroh, erzählte uns der Mitarbeiter.
Cabernet Colonjes ist tatsächlich nach dem Weingut benannt, weil Adam als erster diese Neuzüchtung – aus Neustadt natürlich – erworben hatte. Jeder, der diese Rebsorte nun auch in den Bestand nimmt, muss sie so nennen. (Wenn man googelt, findet man welche, auch die Abstammung aus Cabernet Sauvignon und Regent)
4. Rotwein „Zonneklaar“ vom Weingut van Ditshuizen, das Weingut von Amandas Eltern
Cabertin, Cabernet Cortis, Gabernet Cantor, etwas gekühlt, sehr guter Sommerrotwein
Wir wissen, was jetzt folgte: Blumen- und Weinkaufzeremonie, bevor wir uns wieder zum Bus begaben und weiterfuhren, ganz hoch in den Norden, in die Provinz Overijssel, nach Bentelo, zum
Weingut Hof Van Twente
Wir wollten da schon immer einmal hin und hatten es nie geschafft. Unsere Mitstreiter im Weinbaumuseum, Tom und Melanie, hatten uns eine Weinprobe ausgerichtet mit Weinen aus Schleswig-Holstein und einer davon wurde in Bentelo ausgebaut, der Weg hierher ist kürzer als in deutsche Weinbaugebiete. Im letzten Jahr hatten wir einen Abstecher dorthin gemacht, waren zufällig beim jährlichen Hoffest dort gelandet und waren begeistert, deshalb konnten wir Euch das auf keinen Fall vorenthalten.
Die Chefin, Iris Visser, empfing uns mit einem Sekt auf der wunderschön angelegten Terrasse. Eigentlich sollte ihr Sohn Mart die Führung durchführen, weil er nach Studium in Oppenheim perfekt Deutsch kann, aber der war verhindert, weil unverhofft im Achterhoek die ersten Trauben gelesen wurden.
Das Weingut, das nördlichste in den Niederlanden, wurde im Jahr 2000 von Inge und Roelof Visser gegründet (am gleichen Tag übrigens, als eine gewisse Ehe in Deutschland geschlossen wurde, ohne die es auch die GenussSpechte nicht gäbe). Es waren anfangs ausschließlich PiWis.
Insgesamt bewirtschaftet man nun 8,5 ha.
Um das Gebäude herum stehen Souvignier Gris, Pinot Noir, Solaris und Regent. Weitere Rebsorten sind Johanniter, Pinotin (der wird demnächst entfernt, zu anfällig für die Kirschessigfliege), Satin Noir (ganz neue Rebsorte, natürlich auch aus Neustadt).
Nach dem Sekt führte uns Inge in die Weinberge. Hier sind ein Bewässerungssystem und ein Berieselungssystem installiert. Letzteres kann den Wein bei Frost in Wassernebel hüllen, so dass eine dünne Eisschicht um die Triebe diese schützt. In diesem Jahr musste man damit, mit Feuertöpfen und dem Blower aus Neuseeland, der damals beim Weinfest aufgebaut war zur Anschauung, die Reben schützen.
In der Blütezeit war es zu nass, so dass es sehr wenig Trauben geben wird. Trauben sind Windbefruchter und wenn es gießt wie aus Kübeln, bleiben viele Trauben unbefruchtet.
Beim Pinot Noir hat man auf lockerbeerige Clons gesetzt. Diese Rebsorte wird mit Kalk oder Lehm eingesprüht, damit die Kirschessigfliege denkt, es sei Weißwein und ihn verschont. Der Solaris ist fast reif und wird demnächst gelesen. Der Regent ist früher dran als üblich. Auch hier werden die Wetterverhältnisse immer chaotischer und stellen vor enorme Herausforderungen. Die Lesereihenfolge wird sein: Solaris, Regent, Souvignier Gris und Pinot Noir. Die Erntehelfer sind alle ehrenamtlich tätig, alles wird von Hand gelesen, gemütlich, mit der in den Niederlanden üblichen Anzahl von Kaffeepausen. Niederländer, normale zumindest, funktionieren nur, wenn man sie ca. alle 2 Stunden mit Kaffee befüllt. Es gibt eine Warteliste von 230 Personen! Sie müssen guten Kaffee und gutes Essen servieren hier.
Wie man sehen kann, wird groß gebaut. Eigentlich wollte man nicht wachsen, aber da der Sohn mit einsteigt, wird jetzt vergrößert. Daher gibt es auch kein Weinfest in diesem Jahr. Es ist schwierig, gleichzeitig zu bauen, die Anlagen umzuziehen und zu lesen und genau diese Konstellation hat man derzeit.
Da der Markt nach niederländischem Sekt fragt inzwischen, stellt man auch diesen jetzt her.
Während unserer Tour lief die pneumatische Presse – wir wurden also Zeugen der Erstpressung des neuen Jahrgangs 2024 in den Niederlanden!
Es werden ausschließlich Reinzuchthefen verwendet. Die momentane Kapazität liegt bei 200.000 l. In diesem Jahr werden es nicht mehr als 150.000 werden.
Bei den „Externen“, den Weinen, die man u.a. für die deutschen Winzer, herstellt, werden im Vorfeld die gewünschten Weinstile besprochen und dann entsprechend ausgebaut.
Die Barriques, auch die von den diversen Kleinwinzern, werden bald in den neuen Keller umziehen.
Die ersten Jahrgänge des noch unbekannten Weinguts wurden mit von Künstlern gestalteten Etiketten bestückt. Nach ein paar Jahren entschloss man sich, davon abzusehen, der Wein sollte fortan im Vordergrund stehen.
Zum Schluss der Kellerführung kamen wir auch an der Schatzkammer mit älteren Weinen sowie des (gut sortierten) Privatkellers vorbei.
Die verkosteten Weine waren:
Beim Empfang: 1. Sueterie Parel
Souvignier Gris (und etwas Muscaris)
Dieser Secco hat gerade bei der AWC Vienna Silber geholt! Ein wunderbar fruchtiger sommerlicher Secco der nach mehr schmeckt.
2. Sueterie Wit
Halbtrocken, Solaris, Souvignier Gris und Johanniter
3. Solaris
Teils im Stahl ausgebaut, teils im Barrique (Erstbelegung, auch Gärung im Barrique).
Vollmundig und fruchtig
4. Sueterie Rosé trocken
Pinotin und Cabernet Cortis.
5. Sueterie Rood
Pinotin, Regent und Ronde, ausschließlich im Edelstahl ausgebaut.
Intensives Aroma roter Früchte
6. Regent Barrique 2020
24 Monate im Barrique (Erstbelegung). Vanille, Röstnoten, intensive rebsortentypische Note.
Wir hinterließen einen Riesling für den privaten Weinkeller und trugen auch hier einige Flaschen fort.
Weiter ging es für das zweite Hotel unseres Aufenthaltes wieder gen Süden, nach Arnheim, ins Hotel Holiday Inn Express, bei dem es leider keinen Parkplatz für den Bus gab, aber Hendrik (it’s not a trick, it’s Hendrik) fand eine Lösung und eine Abstellmöglichkeit mit Bushaltestelle und begleitete unseren Fahrer.
Zum freien Abendessen landeten einige Teilnehmende am Rheinufer an einer Food Hall, bei der sich der Bestellvorgang als kompliziert erwies, aber das Essen war sehr lecker. Andere nutzten die Zeit für einen Bummel durch die Stadt.
3. Tag: Samstag, 31. August 2024
Nach einem Frühstücksbuffet, für das wir zwar mehr Zeit hatten, das aber nicht ganz so üppig daherkam wie das im ersten Hotel, starteten wir und fuhren das kurze Stück zum Nationalpark de Hoge Veluwe in Otterlo.
Unser Ziel war jedoch nicht der Park, heute stand der kulturelle Programmpunkt unserer Reise an: Der Besuch des
Kröller-Müller Museums.
Helene Müller, geboren 1869 im Ruhrgebiet als Tochter eines Industriellen, zog nach ihrer Heirat mit Anton Kröller, Teilhaber ihres Vaters und Sohn des Rotterdamer Büroleiters, in die Niederlande. Als leidenschaftlicher Jäger kaufte Kröller ab 1909 in Etappen ein Jagdgebiet, de Hoge Veluwe.
Der Park umfasst heute 5400 Hektar mit verschiedenen Landschaftstypen. Es gibt Wälder, Seen, Moore und Dünenlandschaften und Heide in allen Farbschattierungen.
Viele Tiere leben im Park, u.a. Rotwild, Rehe, Mufflons, Wildschweine und natürlich Kleintiere und Insekten. Man kann den Park mittels 1800 weißer kostenlos entleihbarer Fahrräder erkunden, das hatten wir heute aber nicht vor.
Helene hatte durch den Besuch der „Lehrstunden über Kunstgeschichte“ von Henricus Petrus Bremmer, einem Maler, Kunstpädagogen und Kunsthistoriker, ihre Leidenschaft für Kunst entdeckt. Mit dem Ankauf von 3 Bildern von Vincent van Gogh begann sie im Jahr 1909 ihre Kunstsammlung, die insgesamt aus über 4000 Zeichnungen, 275 Bildhauerarbeiten sowie mehreren Hunderten Gemälden besteht, fast 300 davon von Vincent. Des Weiteren enthält die Sammlung Werke anderer Impressionisten, Neo-Impressionisten, Realisten und auch viele Vertreter der abstrakten Kunst, u.a. zum Beispiel Piet Mondriaan, der eine gewisse Bedeutung im Hause Ruitenberg hat (gleiche Geburtsstadt wie viele Generationen von Ruitenbergs, nämlich Amersfoort – kleiner Besichtigungstipp: Das Geburtshaus von Mondriaan).
Erste Pläne für ein Museum hatte der Architekt Peter Behrens entworfen. Dies gefiel den Auftraggebern jedoch nicht, und auch weitere Entwürfe anderer Architekten wurden abgelehnt, bis die Wahl auf Hendry van de Velde fiel. 1921 wurde mit dem Bau begonnen. Durch die Rezession ging den Auftraggebern jedoch das Geld aus und das Gebäude ist nie wie geplant fertiggebaut worden. Lediglich das Jagdhaus Sint Hubertus wurde zwischen 1914 und 1920 erbaut.
1935 wurden der Park und das Jagdhaus in eine Stiftung überführt. Der Niederländische Staat erhielt die Kunstsammlung unter der Bedingung, dass innerhalb von 5 Jahren ein Museum erstellt werden müsse. 1937 bis 1938 entstand ein „Übergangsmuseum“, ein schlichtes Bauwerk, das in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch den Architekt Wilm G. Quist vollendet wurde.
Hendrik hatte für uns eine ca. einstündige Führung gebucht, die das Museum nur kurz für uns anreißen konnte. Danach hatten wir Zeit, selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Es ist klar: wenn man alles ergiebig kennenlernen möchte, auch den immens großen Skulpturengarten im Park, muss man wiederkommen.
Bei der Führung, die uns die wichtigsten und interessantesten Kunstwerke nahebrachte, erfuhren wir einiges Wissenswertes.
So hatte Helene z.B. verfügt, dass alle Bilder von Van Gogh einheitlich gerahmt werden sollten. Die Rahmen sind alle nach gleicher Machart gefertigt, das Holz wird nach den Farben und Helligkeit oder Dunkelheit der Bilder ausgewählt. Werden Bilder für andere Ausstellungen verliehen, so bekommt man sie dann meist in anderer Rahmung zurück.
Auch hier überreichte Hendrik die Hochheimer Blumen und der Aufschrei des Entzückens und die offensichtliche Freude und Überraschung unserer Museumsführerin hat uns alle sehr berührt. Auch, wenn für uns alle offensichtlich war, dass sie noch einige Monate gar keinen Wein trinken darf …
Bei der freien Entdeckungstour sorgte Matthias selbst für ein Kunstwerk: Als er einen der Räume betrat, wunderte er sich, warum zwei Jungs anfingen, zu lachen – bis er sein Poloshirt genauer betrachtete und zudem das Bild, vor dem er gerade stand. Mondriaan wird gerne als Inspiration genutzt.
Einige ließen sich noch im Museumscafé nieder, auch der Museumsshop durfte sich über Umsatz freuen.
Danach sollte es zur einzigen Weinprobe des Tages gehen, zum
Weingut Keulenhof in Elst.
Wir erinnern uns, wir waren bei der ganzen Tour bislang immer zu früh gewesen – diesmal nicht, im Gegenteil! Da wir selbst dieses Weingut noch nicht kannten, fiel es Hendrik auch erst auf, als wir in eine Einfahrt hineinfuhren, die uns bekannt vorkam und die Winzerin, völlig verblüfft, fragte: „Was machst du denn hier?“
Des Rätsels Lösung: Wir waren nicht im Keulenhof, sondern in Betuws Wijndomein! Das Weingut, das uns aufgrund einer Hochzeit nicht empfangen konnte, weshalb es uns den Keulenhof überhaupt empfohlen hatte, dessen Weine wir daher bei der Weck-Worscht-und-Woi Pause genossen hatten … Der Fehler war schnell gefunden: Unser Busfahrer hatte nie von seinem Chef den endgültigen Reiseplan bekommen für die Navigation – sondern den ursprünglichen, für die Preiskalkulation erstellten von Hendrik, bei dem Betuws noch dabei war.
Ärgerlich, denn wir kamen dadurch viel später als geplant in Elst an. Wodurch uns die Wanderung um die Weinparzellen erspart blieb und ehrlich gesagt, wir wissen alle, wie Reben aussehen; manche Gelenke begrüßten es, nicht weiter strapaziert zu werden nach der Lauferei im Museum.
Eine Kellerführung gab es auch nicht, diese kleine Weingut hat keinen.
Es ist ein so genannter Kleinst- oder Nebenerwerbsbetrieb. Winzer Arjan Stam erfreut sich seines Rentnerdaseins und kann seine ganze Zeit und Leidenschaft in den Wein stecken, wobei er schon vor Arbeitsende damit begonnen hat. Die Verarbeitung erfolgt dann bei Betuws, die Assemblage der getrennt ausgebauten Sorten verantwortet Arjan selbst.
Wir ließen uns also sofort an dem liebevoll gedeckten Tisch im Garten nieder, mit Blick auf Bilderbuchreben (besonders der rote stand wie eine Eins). Die Weine standen zum Anschauen in der Reihenfolge auf dem Tisch, ausgeschenkt wurden sie aus der parat stehenden Kühlbox.
Höfliches Interesse schlug nach der freundlichen Begrüßung und erst recht nach dem ersten Schluck der Probe um in absolute Begeisterung.
Gleich am Anfang wurden Teller mit (sehr kleinen) Häppchen verteilt. Wer jetzt nicht sofort darüber herfiel, war ganz klar im Vorteil, denn Arjan hatte zu jedem Wein ein passendes Häppchen kreiert.
Das Weingut besteht seit 2018. Die Familie hat diesen Hof in der 4. Generation. Er heißt deshalb Keulenhof, also nach der Stadt Köln benannt, weil Arjans Urgroßvater aufgrund damaliger Verbindungen den Zehnten in Deutschland zahlte.
Die Rebfläche ist nur einen Hektar groß, hat 4200 Reben, die ca. 4-5.000 Flaschen ergeben. Der Boden ist ca. 50 cm Flusston auf Löss.
Sein Ziel ist, sortentypische Weine zu machen, eine Rebsorte soll dominieren, er möchte Weine anbieten, die ein ganzes Menu begleiten können. Qualität entsteht nicht durch Zufall, sondern durch harte Arbeit, ist seine Meinung, und in seinem Weinberg sieht man, wie sauber und präzise er arbeitet. Das merkt man den Weinen auch an – ein kleines Weingut mit sehr hohem Qualitätsanspruch. Wir waren durch die Bank begeistert.
Mit dem Etikett wollte er auffallen und ein Erkennungsmerkmal haben, daher die auffallend orange Farbe und die Form wie eine Backsteinmauer. Die abgebildeten Symbole sind das Herz für Wein mit Liebe und Leidenschaft gemacht, die eckige Form des Herzens ergibt sich aus dem Zuschnitt seines Weinfeldes, wie man aus einer Drohnenaufnahme gut erkennen konnte, weiter Symbole sind der Korkenzieher, die Form dem Wappen des Hauses nachempfunden, sowie der Schmetterling für den Respekt der Natur.
Die Probe umfasste:
1. Parel van Elst, ein Secco aus Muscaris und Cabernet Cortis. Fruchtig, spritzig, sommerlich, durch den Muscaris duftig und blumig. Hierfür war die Olive auf Rundkeks gedacht.
2. Parel van Elst wit, Vilaris von Betuws und Muscaris vom Keulenhof, fruchtig, feinherb, und an dieser Stelle wurde es lustig.
Arjan erzählte, der Wein passe zu Fisch und Meeresfrüchten und zu Gevögelten … durch unseren ebenso krampfhaften wie erfolglosen Versuch, unser Lachen zu unterdrücken, hielt er inne, guckte verdutzt, grübelte, was er gesagt haben könnte – bis Hendrik ihn (aus Diskretionsgründen auf Niederländisch) über diesen sprachlichen Faux-Pas aufklärte. Geflügel heißt auf Niederländisch in der Tat „Gevogelte“, jedoch kann man nicht, wie er angenommen hatte, durch Ersatz des „o“ durch ein „ö“ das Wort eindeutschen.
3. Mussenberg (benannt nach dem Schloss, das hier einst stand und dessen Steine für den Bau der zweiten Scheune verwendet wurden)
Rebsorte Sauvignac (gekreuzt aus Sauvignon blc und Riesling), die Sorte ist seit 4 Jahren im Anbau, mit 2 g RZ ist das der trockenste Wein in seinem Sortiment.
Das interessante bei diesem Wein ist: Bei heißerem Sommer geht der Geschmack mehr Richtung Sauvignon Blanc, bei kühlerem Sommer mehr Richtung Riesling.
4. Mussec – der Name ist eine Anspielung auf den Elsass
Es handelt sich um einen trocken ausgebauten Muscaris. Bei Aromarebsorten erwarten viele einen süßen Wein, während der Elsass zeigt, dass diese Rebsorten auch hervorragende trockene Weine hervorbringen. Dieser gehört definitiv dazu.
5. Optimum Rosé aus 97% Cabernet Cortis und 3% Souvignier Gris
Sein Ziel war es, einen Wein zu machen, der an Südfrankreich erinnert. Ziel in jedem Fall erreicht.
An dieser Stelle wäre eigentlich die Probe zu Ende gewesen, aber die Weine waren so hervorragend, dass wir natürlich mega neugierig auf den Roten waren. Hendrik, der immer gut für uns sorgt, organisierte die Erweiterung.
6. Cabernet Cortis, genannt „Brique“
2022 hat man sich zum ersten Mal an Rotwein gewagt, es gab 600 Flaschen, die ein Jahr in amerikanischen und französischen Barriques lag. 300 Flaschen werden erst im nächsten Jahr verkauft, um zu erkunden, wie sich Zeit auf den Wein auswirkt.
Wir hatten also sehr großes Glück, dass wir ihn kosten durften. Der Wein war der beste niederländische Rotwein den ich in all diesen Jahren probieren durfte.
Fazit: Der „PiWi-Ton“, den diese Weine in den ersten Jahren noch hatte, ist bei diesem Weingut überhaupt nicht mehr zu erschmecken, es sind einfach nur geniale Weine.
Aufgrund unserer Begeisterung, und weil wir die Weinbergsführung verpasst hatten, mussten wir das Add-On nicht einmal bezahlen. Der Winzer freute sich natürlich über unseren Riesling und auch hier kauften wir eifrig ein, während ein Grüppchen niederländische „Best Agers“ (öhem) auf dem Rad eintrudelte, die für jetzt eine Weinprobe gebucht hatten.
Nach diesem wirklich beeindruckenden Erlebnis (wir müssen selbstverständlich auch hier ab jetzt regelmäßige Kontrollbesuche unternehmen :-)) ), kletterten wir wieder in den Bus und fuhren ins gelobte Land, will sagen, in die Provinz Zeeland.
Eigentlich hatten wir vorgehabt, noch ins Wasser zu hüpfen, aber angesichts der Uhrzeit und den etwas restriktiven Öffnungszeiten der beiden Strandpavillons vor unserem Hotel musste das leider unterbleiben. Dieses Hotel war das beste der Reise und verdient es, für einen längeren Aufenthalt erneut besucht zu werden.
Wir genossen den Abend bei Fisch (die meisten von uns) und nicht aus Trauben hergestellten Getränken mit Blick auf Strand und Sonnenuntergang.
4. Tag: Sonntag, 01. September 2024
Da es mit dem Sprung in die Wellen gestern Abend nicht geklappt hatte, stellten sich einige von uns den Wecker ganz früh. Um 7:15 waren die Wolters und die Ruitenbergs schon am Strand – um festzustellen, dass Wolfram noch schneller gewesen war! Dafür waren wir tiefer drin :-))
Von allen Hotels hatte Westduin das beste Frühstücksbuffet, inklusive einer gekühlten Orangenpresse, die frisch gepressten Saft auf Knopfdruck lieferte. Wie gut, dass wir heute so viel Zeit hatten, denn wir mussten nur ein Viertelstündchen fahren bis zu unserem ersten Ziel, die
Wijndomein De Boe in Koudekerke
Bruno Suter, der Winzer, den die Ruitenberg erst letztes Jahr auf Empfehlung von Johan van de Velde kennengelernt hatten, empfing uns und erzählte uns auf einem kleinen Rundgang die Geschichte seines Weinguts. Er hat in Frankreich, Deutschland, England und Niederlande (u.a. in Dreischor) Erfahrungen gesammelt.
Bruno hat diesen ehemaligen Obstbaubetrieb in 2020 gekauft und im Oktober die Bäume entfernt, dabei aber die Hecken aus den 40er bis 50er Jahren als Windschutz stehen lassen. Das Weingut ist umschlossen wie ein „Clos“ in Frankreich. Die ersten Reben pflanzte er im April 2021 an, im Oktober 2023 konnten die ersten Trauben gelesen werden. Es gibt Chardonnay, Auxerrois, Grauburgunder, Traminer, Muscaris, Souvignier Gris, Spätburgunder, Schwarzriesling (aka Müllerrebe, Pinot Meunier) und Trousseau, eine alte rote Rebsorte, die vorwiegend im Jura angebaut wird, wo sie herstammt, aber auch in Spanien und Portugals.
Ausgebaut hat er sie sortenrein in kleinen Tanks, um dann anschließend die Assemblagen vorzunehmen. Bei Jungweinen kann man noch nicht viele Aussagen treffen, erst in 5-8 Jahren wird man wissen, wo die Reise hingeht (für Junganlagen waren die Weine aber schon ganz schön lecker, davon später mehr)
Das Faszinierende an diesem Weingut ist, dass es zwei verschiedene Böden hat, was auf einem Infrarotfoto gut zu sehen ist: wie mit dem Lineal markiert, auf der einen Seite Sand aus einem alten Flussbett, auf der anderen Seite Ton. So kann man die Rebsorten gemäß ihrer Bodenvorlieben anpflanzen und später terroirbetonte Weine machen. Er hat jede Rebsorte auf beiden Böden sitzen.
Genau auf der Grenze ist eine Hecke. Er hat Bodenanalysen machen lassen, die ursprünglichen Obstbauern hatten diese Werkzeuge nicht und haben dennoch genau die Grenze getroffen.
Auch hier gab es im April 2024 Frost und trotz Einsatz von Feuertöpfen ca. 5% Verlust. Mitte Juni gab es während der Blütezeit zu viel Regen. Während bei den traditionellen Rebsorten dadurch 20-25% weniger Traubenansatz zu beobachten ist, ist der Verlust bei Muscaris ca. 65%. Die PiWis sind zwar weniger anfällig für Krankheiten, aber offenbar viel empfindlicher bei Regen in der Blüte, was zur Verrieselung führt.
Momentan ist nur jede zweite Zeile begrünt, um diesen jungen Reben nicht zu viel Konkurrenz um Nährstoffe zuzumuten.
Das große Haus, das man hinter den Hecken sieht, ist von 1753 und gehörte ursprünglich zur Anlage dazu und beherbergte eine Klinik. Der Park hat insgesamt 18 ha. Heute ist dort ein B&B. Der Name des Hauses lautete Hus de Boede (Boe = Holzbau), weshalb er das Weingut De Boe genannt hat.
Die erste Ernte vom letzten Jahr hat er bei Johan in Dreischor pressen lassen. Inzwischen hat er eine Holzpresse gekauft, die von der Funktion so ist, wie alte Pressen, aber natürlich niegelnagelneu und computergesteuert. Er findet das für die Größe seines Weinguts besser. Man habe zwar ca. 5-10% weniger Ausbeute, aber auch weniger Trub und daher weniger Filter nötig.
Der erste Wein wurde nur in Stahltanks verarbeitet, für dieses Jahr hat er ein neues und mehrere ältere Holzfässer gekauft.
In der Vinothek probierten wir die folgenden Weine:
1. Grauburgunder
Noten von Birne und Stachelbeere, nicht ganz trocken und unglaublich präsent – das ist eine Junganlage? Wow.
2. Muscaris trocken, Noten von Litschi und Holunder
Ja, jung, aber astrein, auch hier kann man sich auf das freuen, was die Reben hervorbringen werden, wenn sie der Grundschule entwachsen sind und als Teenager durchstarten.
3. Auxerrois und Chardonnay
Beide waren mengenmäßig zu wenig, um solo ausgebaut zu werden, aber da die Rebsorten ohnehin verwandt sind, eignen sie sich auch als Cuvée.
Fazit: Alle Achtung für eine erste Ernte. Er weiß, was er tut, die Anlagen sind tiptop in Schuss und das ist definitiv ein Winzer, den wir in die engere Beobachtung nehmen.
Auch er durfte sich natürlich über unser Mitbringsel freuen.
Aufgrund des knappen Bestandes konnten wir hier leider nichts kaufen.
Nach diesem schönen Morgenausflug ging es zum Highlight der Reise – nach Dreischor zum
Wijnhoeve de Kleine Schorre
Johan van de Velde begrüßte uns, das Team des Proeflokaals schenkte uns es einen handgerüttelten Sekt ein, den Brut de Zeelande aus 60% Weißburgunder, 30% Auxerrois, 10% Rivaner, 24 Monate auf der Hefe, 8 g RZ. Mit dem Glas in der Hand ging es zur kurzen Weinfeld / Kellerführung. Der Keller ist oberirdisch, hier ist man direkt auf Meereshöhe. Schorre bedeutet „grasbewachsener Streifen in der Gezeitenzone, wird nicht mehr täglich von der Flut überschwemmt“ (wie eine Salzwiese). Daher leitet sich auch der Name des Dorfes ab. Das Dorf ist übrigens sehenswert, es ist ein Ringdorf, d.h. um die Kirche herum befindet sich eine runde Straße mit Häusern, von der weitere Straßen abgehen.
Zur Geschichte des Weinguts: Die Familie hat ca. 50 ha Land und hat früher Kartoffeln und Rosenkohl angebaut. Als damit kein Geld mehr zu verdienen war, saß Johans Vater eines Tages beim Nachbarn und überlegte, was man sonst anbauen könnte. Die Sache mit dem Wein ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnapsidee gewesen – es soll sich den Gerüchten nach eine Flasche Genever rege in die Diskussion eingebracht haben.
Zeeland hat den wenigsten Frost und die meisten Sonnenstunden in den Niederlanden und immer wieder Wind, der die Reben trocknet. Warum also nicht?
Der Boden enthält viel Kalk und Muschelschalen, durch die Flutkatastrophe von 1953, bei der Zeeland komplett überflutet war, ist er auch recht salzig – was man in den ersten Jahrgängen, die noch nicht so tief wurzelten, auch stark schmecken konnte.
2001 wurde nach ausführlicher Bodenanalyse und mit Hilfe des luxemburgischen Weinguts Cep d’Or mit dem Umbau von Kartoffeln zu Wein begonnen. Man wählte traditionelle Rebsorten, damals fand man die PiWis noch nicht lecker genug, und da das Ziel von Anfang an war, Weine zu produzieren, die zu den Zeeländischen Spezialitäten, vor allem Fisch und Meeresfrüchten, passen sollten, fiel die Wahl auf Rivaner, Weißburgunder, Grauburgunder und Auxerrois.
Bei Cep d’Or ist Johan auch 3 Jahre in die Ausbildung gegangen. Als er bei der Bank um einen Kredit anfragte, um zu starten, wurde er ausgelacht. So beschaffte man sich Kapital über Crowdfunding und Rebstockpachten. Den ersten Ertrag bekamen die Aktionäre. Ein geschmackliches Highlight soll es nicht gewesen sein. Aber wir kennen das Weingut seit 2013 und es ist erstaunlich, welche Qualität man erreicht hat. Bei traditionellen Sorten werden 20% der Trauben entfernt, bei PiWis ca. 50% momentan.
Inzwischen sind weitere Rebsorten hinzugekommen, u.a. Gewürztraminer und Souvignier Gris, also doch eine PiWi, auch Cabernet Blanc, es sind insgesamt 14 ha. Die Reben kommen von Freytag und im letzten Jahr mussten aufgrund der Übermenge Tanks hinzugekauft werden. 2 weitere ha sollen noch hinzukommen. Langsam wird allerdings der Keller eng. Sein Tipp für Neuwinzer: Plane deinen Keller, und dann verdoppele ihn vor dem Bau.
In diesem Jahr gab es Frost, aber der hat nur den Junganlagen, die noch nicht tragen, zu schaffen gemacht. Der Cabernet Blanc ist allerdings stark verrieselt. Die Weinfelder sind alle von Hecken umrandet, um die Reben vor dem salzwasserhaltigen Wind zu schützen.
Die erste Presse wurde schon zu klein und gegen eine größere ausgetauscht. Auch von der Handlese mit freiwilligen Lesehelfern ist man inzwischen abgekommen. Johan hat sich für einen Vollernter entschieden, den man hinter dem Traktor herzieht, dafür hat er einen Arbeiter, der nach Metern bezahlt wird. Damit kann man schneller größere Mengen lesen, was im Zuge des Klimawandels und der Wetterkapriolen vernünftig ist. Der Vollernter schüttelt die reifen Trauben herunter, die grünen bleiben hängen. Allerdings bedeutet 1 Stunde fahren auch 2 Stunden Vollernter putzen …
Die Gärung erfolgt nur im Edelstahl, erst danach wird entschieden, welche Weine in Barriques vollendet werden. In der Regel läuft die Gärung bis Ende Januar, dann liegt der Wein noch auf der Hefe, wird im März filtriert, im April folgt die Assemblage, bei der auch Guus, der Pächter des Proeflokaals, gelernter Sommelier, dabei ist, und natürlich Paula und auch der Chef von Cep d’Or ist gerne dabei.
Inzwischen gibt es 8 Angestellte, Paula ist für die Außenwirtschaft zuständig.
Für die Füllung kommt ein Lohnfüller aus Trier, dann werden 96.000 Flaschen in 3 Tagen gefüllt.
KLM ist noch immer Abnehmer, seit über 10 Jahren kaufen sie Wein für die Business Class, ca. 30%. 30% gehen ab Hof weg, der Rest ist in Restaurants oder bei Weinhändlern.
Nach der Besichtigung lieferte Johan uns im Proeflokaal ab und nun folgte eine Weinprobe mit der ultimativen Form von Borrelhapjes: Es gab Austern, Garnelen, Pfahlmuscheln, Vongole, Miesmuscheln, geräucherten Aal, hausgebeizten Lachs, Schinken und Wurst, Käse, Oliven, Tapenaden, dazu das mit Meerwasser gewürzte Brot.
Die Probe umfasste (alle Jahrgang 2023):
1. Rivaner, frische grüne Apfel und Zitronentöne, passte toll zu den Austern (der Brut de Zeelande hätte noch besser gepasst, aber den hatten wir ja beim Spaziergang getrunken)
2. Auxerrois
3. Weißburgunder (genannt Blanc+)
4. Grauburgunder (Gris+)
5. Grauburgunder Barrique von 2022
6. Paulas Selection, der Gewürztraminer, es sind 1000 Stöcke insgesamt
Alle Weine sind assembliert und enthalten bis zu 15% einer der anderen Rebsorten zur Abrundung.
Als Johan begann, gab es noch keine geschützten Ursprungsbezeichnungen. Er war so clever, das Copyright-R in den Namen der Halbinsel zu setzen: Aus Schouwen-Duiveland machte er Schouwen-D®uiveland, so dass man die Herkunft des Weins sehen konnte.
Leider ging auch diese Weinprobe zu Ende und wir verabschiedeten uns mit den üblichen Ritualen – Hochheimer Riesling, Gästebuch, Weinkauf, Umarmungen.
Die Rückfahrt brachte ein paar Staus und Umwege. Bei der abendlichen Essenspause wurden nur Getränke und Eis gekauft, komisch, keiner hatte Hunger.
Wir kamen gegen 22 Uhr am Weinstand an.
Das war unsere erste Genussreise.