Weinrecht – Trockene Materie oder liebliches Rechtsgebiet?

GenussSpechte verbinden Genuss mit Gelehrigkeit

Der Montag ist ein ungewöhnlicher Tag für eine Weinprobe, aber passend für eine Veranstaltung, die Genuss und Wissen verbindet. Am 11. August trafen sich 24 GenussSpechte und Gäste im Weinbaumuseum für einen Vortrag mit Weinprobe zum Thema „Neues aus dem Weinrecht“.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Michael A. Else konnte als Vortragender gewonnen werden. Neben seiner beruflichen Tätigkeit ist er Vorstandsmitglied bei Weinfeder e.V., dem Verband deutschsprachiger Weinpublizisten; Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Historischen Weinbaus im Rheingau e.V. und anerkannter Berater für Deutschen Wein. Darüber hinaus ist er im Rheingauer Weinkonvent aktiv sowie Herausgeber von LexVinum, einer Weinrechtssammlung der relevanten Vorschriften in EU, Bund und Ländern im Internet. Geballtes Weinwissen also.

Den Abend kann man unter der Kategorie „Pädagogisches Trinken“ verbuchen, einer kürzlich entstandenen neuen Wortschöpfung.

Nachdem Hendrik Ruitenberg alle Anwesenden begrüßt hatte, stellte Michael Else sich vor und bot an, dass man, wie unter weinaffinen Menschen üblich, zum Du übergehe.

Die ersten drei Weine sollten verdeckt ausgeschenkt werden und da es einen Themenblock “alkoholfreie Weine” gab, war man sich an beiden Tischen schnell einig, dass die ersten beiden Weine aus dieser Kategorie stammen mussten – und doch deutlich besser mundeten als bisherige Versuche. Auch die vermutete Rebsorte Sauvignon Blanc durch eine starke Note von grüner Paprika fand Konsens.

Während die Teilnehmenden verkosteten und rätselten, erläuterte Michael spannende Zahlen, Fakten, Statistiken und rechtliche Hintergründe mit einer detailreichen und spannenden Präsentation.

Es ging um Gesetzestexte und Verordnungen, Kennzeichnungspflichten, E-Label, Nährwerte und Inhaltsstoffe,

Über die rechtlichen Hintergründe macht man sich als Konsument in er Regel keine großen Gedanken – aber die Ehrfurcht vor der Leistung der Winzerinnen und Winzer, die sich mit teils abstrusen und schwer umzusetzenden Vorschriften auseinandersetzen müssen – so zum Beispiel eine Nährwertangabe bei Wein – dürfte durch diesen Abend zugenommen haben.

Die ersten beiden Weine waren in der Tat aus der Rebsorte Sauvignon Blanc. Der eine hatte unter 0,5% Alkohol und entsprach somit der rechtlichen Definition “entalkoholisierter Wein” und der andere hatte mehr als 0,5%, war aber unter dem vorhandenen Mindestalkoholgehalt der Kategorie (des Weines) vor der Entalkoholisierung – na, alles verstanden?

Die dritte Probe, die eindeutig keine Fans gefunden hatte, entpuppte sich als “alkoholfreies aromatisiertes Getränk aus entalkoholisiertem Wein” und dieser fällt unter das Lebensmittelrecht. Geschieht ihm recht, denn dieses Getränk ist es nicht würdig, unter das Weinrecht zu fallen, befanden die Probenteilnehmenden.

Der nächste Themenblock befasste sich mit dem Bezeichnungsrecht und behandelte Angaben zur Abfüllung, Weingut, Erzeugerabfüllung, Traubenzukauf, Weinfüllungen für den Lebensmitteleinzelhandel (“LEH”) und zur Verdeutlichung diente ein LEH Grauburgunder, auf den man nicht näher eingehen muss.

Danach lernten die trotz der fortgeschrittener Zeit und komplexen Themen zwischen den Murmelpausen mucksmäuschenstill und aufmerksam zuhörenden GenussSpechte und Gäste alles über geschützte geografische Angabe, geschützte Ursprungsbezeichnung, Qualitätswein und Prädikate – hier war natürlich Wissen vorhanden – Geoschutz und Produktspezifikation.

Wein Nr. 5 war ein 2024er Weißburgunder “Die Eisheiligen”  trocken, ein VDP Gutswein aus Baden. So weit, so klar. Das Etikett erinnerte jedoch stark an das Weingut Schloss Proschwitz und das ist, wie die meisten wussten, in Sachsen. Das Etikett besagte “Weinhaus Prinz zur Lippe” und war aus Zukauftrauben (dem Frost geschuldet) lediglich in Sachsen abgefüllt.

Das nächste Thema war Naturwein, und dieser Begriff ist nicht mehr zulässig. Hauptmerkmal ist keinerlei Zusatz, weder Reinzuchthefen, noch Zucker, noch Schönungsmittel, daher gelten Prädikatsweine als “Nachfolger der ursprünglichen Naturweine”. Verdeutlicht wurde dies mit einem 2021er Naturreich NApurTUR, diese eigenwillige Schreibweise versteckt das Wort Natur. Es handelte sich um einen interessanten maischevergorenen, leicht orangefarbenen Weiß- und Grauburgunder, der polarisierte. Von “geht gar nicht” bis “bester Wein der Probe” reichte die Bandbreite.

Zu guter Letzt widmete man sich dem Thema Spätlese – passend zum Jubiläum. Hier hatte Hendrik Ruitenberg die Weine ausgewählt mit den Vorgaben “Spätlese mit und ohne Botrytis”, während die anderen Weine von Michael vorgegeben bzw. mitgebracht waren.

Als Vertreter “mit” kam ein 2009er Riesling “Höllenzauber”, eine trockene Spätlese vom Weingut Sack ins Glas, der würdige Reifetöne und eine beeindruckende Dichte aufwies. Im Anschluss verkosteten die Teilnehmenden eine trocken Spätlese, ein 2018er Kirchenstück und danach eine junge milde Spätlese, eine 2024er Hochheimer Domdechaney, beide vom Weingut Schäfer.

Die Weinprobe war trotz der “schweren” Thematik hochspannend und gar nicht trocken und die GenussSpechte waren sich schnell einig, dass man unbedingt Kontakt zum Vortragenden halten müsse. Wie üblich, bekam Michael Else Hochheimer Blumen zum Abschied und trotz der späten Stunde fanden sich viele helfende Hände, um das Museum wieder aufzuräumen.