Gelehriger Genuss im Weinbaumuseum

GenussSpechte erkunden Weine von wurzelechten Reben

Das Thema wurzelechte Reben beschäftigte Vorstand Hendrik Ruitenberg schon länger. Am 11. Oktober gestaltete er für den Verein eine Probe zu diesem Thema.
Was sind wurzelechte Reben?
Das sind Rebstöcke, bei denen – wie zu Zeiten, als die Römer den Weinbau in ganz Europa verbreiteten – der Wurzelstock und der fruchttragende Teil aus derselben Pflanze bestehen.
Bis ins 19. Jahrhundert waren sie in Europa die Norm.
Doch dann passierte eine Katastrophe: Durch den Import von Reben aus Amerika kam ein blinder Passagier mit – die Reblaus.
Die amerikanischen Wildreben werden zwar auch befallen – die Pflanzen sterben jedoch nicht ab.
In Europa verwüstete die Reblaus nahezu alle Anbauflächen. Man kann sagen, sie waren eines der ersten Globalisierungsopfer.
Die Rettung schließlich war das Pfropfen, eine Veredelungstechnik, die bereits in der Antike bekannt war und im Obstanbau oder bei Rosen genutzt wurde.
Man nimmt eine amerikanische Wurzel als Unterlage und pfropft Edelreiser genannte Zweige aus der gewünschten Rebsorte auf. Im Weinbaumuseum, an dem die Probe stattfand, ist dies anschaulich erklärt. Rebveredeler heißen die Fachleute, die diese wichtige Aufgabe durchführen und in Hochheim gab es einst einen solchen Betrieb.
Auf den Inseln Santorin und Zypern, in Chile und im portugiesischen Bereich Colares finden sich noch wurzelechte Reben, auch in der Camargue in dem sandigen trockenen Boden, in dem es die Reblaus weniger leicht hat.
Was ist der Vorteil, wenn sie doch so anfällig sind? Wurzelechte Pflanzen entwickeln eine mächtige Pfahlwurzel, die senkrecht und tief in den Boden wächst. Sie können sich auch in heißen und trockenen Perioden mit Wasser und Nährstoffen versorgen. Auch passen sie sich offenbar schneller an klimatische Veränderungen an, wie einige Winzerinnen und Winzer feststellen konnten. Die Weine, die man damit erzeugt, sind geschmacklich oft interessanter und terroirbetonter als die modernen Varianten.
Es ist außerdem wichtig, diese alten Pflanzen als Genpool zu erhalten, um sie wieder einkreuzen zu können.

In Deutschland wird man hauptsächlich an der Mosel fündig und nach einer Begrüßung der Mitglieder und Gäste startete Ruitenberg seinen Bildvortrag mit anschaulichen Steckbriefen der Weine und Betriebe, der Winzerfamilien sowie zu jedem Vertreter die passenden Lagen- und Landkarten.
Zur Probe kamen ausschließlich Rieslinge. Man begann mit zwei Riesling Alte Reben vom Weingut F-J Regnery, Klüsserath (Mosel) Auslese trocken aus den Jahrgängen 2024 und 2023. Typische Mosel-Schiefer-Mineralität auf dem Gaumen, knackige Säure, Komplexität.
Weiter ging es mit drei Weinen vom Weingut Schneiders Moritz, Pommern (Mosel), dem Pommerner Rosenberg Riesling trocken, Jahrgänge 2023, 2022 und 2021. Hier konnte man gut erschmecken, wie etwas mehr Zeit den Wein runder und harmonischer macht.

Nach drei weiteren trockenen Weinen aus Saarburg (VDP.Ortswein vom Weingut Forstmeister Geltz Zilliken), Thörnich (VDP.Großes Gewächs aus der Steilstlage vom Weingut Ludwig) und einem 2022 Bruaneberger Juffer Sonnenuhr Riesling VDP.Großes Gewächs trocken (Weingut Fritz Haag, Brauneberg) kamen zwei süße Tröpfchen ins Glas.
„Endlich ein süßer Wein!“, erschallte es aus dem Mund eines bekannten Hochheimer Liebhabers süßer Weine.
Zunächst, und mit einem etwas kleineren Dosierer ausgeschenkt, da Ruitenberg die letzte Flasche beim Händler seines Vertrauens erworben hatte, eine 2023 Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese, Weingut J.J. Prüm, Bernkastel-Wehlen. Eine Fülle von reifen gelben Früchten breitete sich auf der Zunge aus.

Gekrönt wurde die Probe mit einem gereiften Wein: einem 2003 Pommerner Rosenberg Riesling Beerenauslese von Schneiders Moritz. Nur noch 7% Alkohol und ein Restzucker von 148 … nicht für Diabetiker geeignet. Der Weinberg ist von 1860 und der Wein ein Gedicht.

Zu Brot und Wasser gesellten sich diesmal Spundekäs und Bretzelchen, die passen immer zu Riesling, sowie zwei verschiedene Quiches, hausgemacht in Sue’s Kitchen. Wie immer, fanden sich sowohl beim Aufbau als auch beim Aufräumen viele helfende Hände.

Eine weitere Probe mit Weinen wurzelechter Reben aus dem Ausland wäre sicher auch interessant, meinten einige der Teilnehmenden. Vielleicht kann man sie dazu animieren, bei ihren Urlauben in einschlägigen Regionen nach passenden Exemplaren Ausschau zu halten, das würde die Beschaffung vereinfachen.

Der obige Bericht war natürlich auch in der Hochheimer Zeitung abgedruckt. Den Artikel kann mann hier nachlesen.